Bedürfnispyramide
Was treibt uns an? Aus welchen Motiven heraus handeln wir? Gehen wir nur deshalb einem Beruf nach, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen? Oder versuchen wir weitere Bedürfnisse mit unserer Arbeit zu stillen?
Verschiedene Theorien versuchen die dominanten Anreize und herrschenden Motive zu erklären, die unserem Verhalten zugrunde liegen. Der bekannteste Vertreter einer Inhaltstheorie der Motivation ist der humanistisch geprägte Abraham Maslow mit seiner Bedürfnispyramide.
Was ist die maslowsche Bedürfnispyramide?
Die Bedürfnispyramide von Maslow ist eine einfache Darstellung der Hierarchie menschlicher Bedürfnisse. Diese werden in insgesamt fünf Stufen und zwei unterschiedliche Gruppen unterteilt.
Maslows Bedürfnispyramide hat in der Vergangenheit bei der Beschäftigung mit Fragen der Arbeitsmotivation zu Diskussionen geführt.
Wissenswertes zur Bedürfnispyramide
Der Verhaltensforscher Abraham Maslow hat die Bedürfnispyramide erfunden. Er erkannte um das Jahr 1943, dass es unterschiedliche Stufen der Motivation bzw. der Motive und Bedürfnisse dahinter gibt.
Vielleicht fragst du dich: Warum gibt es die Bedürfnispyramide? Sie entstand im Umfeld neuer Managementtheorien. Es ging Maslow um die Kernfrage: Was motiviert Mitarbeiter? Oder was sind die Beweggründe für menschliches Handeln?
Der Sozialpsychologe Douglas McGregor entwickelte in den 1950er Jahren die Managementmodelle „Theorie X“ und „Theorie Y“. Maslow war Schüler McGregors und erkannte die Schwächen der Theorien in der Praxis. Deshalb entwickelte er seine Bedürfnispyramide.
Was besagt die Maslowsche Bedürfnispyramide?
Die Bedürfnispyramide von Maslow hat fünf Stufen, die hierarchisch angeordnet sind. Sie deutet damit an, dass die unteren Stufen an der Basis einen grundlegenden Charakter haben. Während die unteren Stufen in der Darstellung breiter erscheinen und überlebensnotwendig sind, werden die Bereiche nach oben immer schmaler, was ihren optionalen Charakter verdeutlicht.
Erst dann, wenn eine Stufe abgesichert ist, kann sich der Mensch in die nächsthöhere Stufe orientieren. Die Grundaussage des Modells ist, dass neue Bedürfnisse auftauchen, sobald die Bedürfnisse einer Stufe erfüllt sind. Dabei ist die Pyramide derart allgemein gehalten, dass sie das Leben aller Menschen darstellt.
Hinweis: Erst wenn die untere Bedürfnisklasse befriedigt ist, kann die nächst obere Bedürfnisklasse aktiviert werden.
Die fünf Bedürfnisstufen – von unten nach oben genannt – sind:
- Überleben (psychologische Bedürfnisse)
- Sicherheit (Sicherheitsbedürfnisse)
- Zugehörigkeit (soziale Bedürfnisse)
- Bedeutung (Individualbedürfnisse)
- Verwirklichung (Selbstverwirklichung)
Psychologische Bedürfnisse
Das Nichtbefriedigen der psychologischen Bedürfnisse führt zu einem Mangelzustand. Deshalb werden die hier angesiedelten Motive als Defizitbedürfnisse bezeichnet.
Unter den psychologischen Bedürfnissen werden all jene Dinge zusammengefasst, die der Mensch zwingend benötigt, um körperlich überleben zu können. Maslow meint die Grundbedürfnisse des Menschen nach Schlaf, Nahrung und Atmung.
Sicherheitsbedürfnisse
Erst wenn die Grundbedürfnisse eines Menschen befriedigt sind, so die Maslowsche Theorie, werden die Sicherheitsbedürfnisse aktiviert. Auch sie sind Defizitbedürfnisse und entstehen aus dem Drang nach Sicherheit heraus.
Zu den Sicherheitsbedürfnissen gehört materielle und berufliche Sicherheit, d.h. das Bedürfnis auf Wohnen und Arbeiten sowie Geborgenheit und Schutz der Personen.
Soziale Bedürfnisse
Die sozialen Bedürfnisse zählen ebenso zu den Defizitbedürfnissen. Der Wunsch nach zwischenmenschlichen Kontakten und das Gefühl der Zugehörigkeit im Leben machen diese Ebene aus.
Zu den sozialen Bedürfnissen zählen Liebe, Familie, Freundschaft, Gruppenzugehörigkeit bzw. ein allgemeines Zugehörigkeitsgefühl.
Individualbedürfnisse
Individualbedürfnisse sind Wachstumsbedürfnisse, d.h. sie basieren auf der Entfaltung. Wachstumsbedürfnisse sind grundsätzlich grenzenlos und können im Gegensatz zu den Defizitbedürfnissen nicht vollständig befriedigt werden.
Als Individualbedürfnisse sieht Maslow den Drang nach Anerkennung, Geltung, Status und Macht, den Wunsch auf Lob sowie das Bedürfnis der positiven Beachtung. Gemeint ist die Anerkennung des „Ichs“ und das Stillen des Drangs des Menschen nach Freiheit, Stärke und Erfolg. Diese Aspekte sind Teil des menschlichen Wachstums.
Selbstverwirklichung
Auch die Selbstverwirklichung ist ein Wachstumsbedürfnis. Es meint den Wunsch auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das Bedürfnis, Ideen umzusetzen. Dieses Bedürfnis ist individuell und variiert von Mensch zu Mensch. Maslow beschreibt diese Ebene als Ausschöpfung des eigenen Potenzials.
Erkenntnisse und Anwendung der Bedürfnispyramide im Management
Formen der Motivation
Wenn es um die Motivation von Mitarbeitern geht, unterscheiden diverse Managementtheorien folgende Hauptmotive:
- Primäre Motivation
- Sekundäre Motivation
- Intrinsische Motivation
- Extrinsische Motivation
Als primäre Motivation fassen Wissenschaftler den Antrieb eines jeden Menschen, seine zum Überleben benötigten Bedürfnisse zu stillen. Dazu zählen etwa Hunger, Durst und Wärme.
Die sekundäre Motivation entsteht aus dem sozialen Umfeld heraus. Es ist die Sehnsucht nach Sicherheit, Gemeinschaft und Anerkennung in der Gesellschaft.
Die intrinsische Motivation gibt den Wunsch eines Menschen wieder, dazuzulernen und sich zu verwirklichen. Materielle Werte haben auf diese Motivation keinerlei Einfluss.
Als extrinsische Motivation werden die Anreize bezeichnet, die sich auf Status, Einkommen und Besitz beziehen.
Auf Grundlage der vier Formen der Motivation entwickelte der Sozialpsychologe Douglas McGregor in den 1950er Jahren zwei Managementmodelle: die Theorie X und die Theorie Y. Beiden Theorien liegen grundlegend verschiedene Menschenbilder zugrunde.
Theorie X
Die Theorie X stützt sich auf die Annahme, dass die meisten Mitarbeiter faul sind und Verantwortung scheuen. Sie bevorzugen Routine und lassen sich deshalb nur durch extrinsische Maßnahmen kontrollieren, d.h. durch Belohnung oder Bestrafung.
Theorie Y
Die Theorie Y nimmt an, dass Arbeit für Menschen von großer Bedeutung ist. Sie sind deshalb leistungsbereit und ehrgeizig. Eigeninitiative und Verantwortung pushen ihre Leistungen.
Anwendungsmöglichkeiten für Führungskräfte
Die Bedürfnispyramide von Maslow lässt sich auf das Führen von Mitarbeitern übertragen, vor allem dann, wenn es darum geht, die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern.
Mitarbeiter machen die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens aus. Sind sie gut ausgebildet und motiviert, erreichen sie nachhaltig die gesteckten Unternehmensziele. Wichtig ist, dass Mitarbeiter ihre Grundbedürfnisse der unteren Stufen erfüllen können, um beste Leistung abzurufen.
Während unsichere Arbeitsverhältnisse oder befristete Verträge dem Sicherheitsbedürfnis widerstreben, geben eine an Umfeld und Leistung angepasste Bezahlung oder soziale Arbeitsbedingungen Mitarbeitern die Möglichkeit, nach Anerkennung und Wertschätzung zu streben. Die geänderte Motivation wird sich in der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter bemerkbar machen.
Die Bedürfnispyramide kann also als eine Art Checkliste dienen, um das Motivationspotenzial von Mitarbeitern zu identifizieren:
Ebene der Bedürfnisse nach Maslow | Angebote für Mitarbeiter |
---|---|
Physiologische Bedürfnisse |
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Sicherheitsbedürfnisse |
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Soziale Bedürfnisse |
|
Selbstwert |
|
Selbstverwirklichung |
|
Hinweis: Versuche als Führungskraft, mit Anerkennung und Freiräumen die Selbstverwirklichung deiner Mitarbeiter zu ermöglichen. Dadurch wird die vorhandene intrinsische Motivation nicht gebremst.
Anwendungsmöglichkeiten für Mitarbeiter
Wer in seinem Beruf zufrieden sein will, sollte das Erreichen mindestens der vierten Ebene der Maslowschen Bedürfnispyramide anstreben. Erst auf dieser Stufe setzt die Identifikation mit der eigenen Arbeit ein.
Hinweis: Will es auf der Bedürfnispyramide einfach nicht nach oben gehen, d.h. deine Arbeitsmotivation zeigt sich nur bei der Bezahlung am Monatsende und ist nur von kurzer Dauer, kann ein Arbeitsplatzwechsel angebracht sein.
Anwendungsmöglichkeiten im Kundenmanagement bzw. Marketing
Im Marketingbereich hilft die Maslowsche Bedürfnispyramide, um Kundenbedürfnisse besser zu verstehen. Die Pyramide zeigt auf, was Kunden brauchen, in wieweit ein Unternehmen diese Bedürfnisse mittels seiner Produkte oder Dienstleistungen befriedigen kann. Somit lässt sich ein Geschäftsmodell noch kundennaher ausrichten.
Hinweis: Je genauer Kundenbedürfnisse bestimmt werden können, desto wahrscheinlicher sind Käufe und zufriedene Kunden.
Grenzen der Maslowschen Bedürfnispyramide
Beobachtungen im Alltag können Zweifel an der Maslowschen Bedürfnispyramide und der darin verankerten Hierarchie der Motivationen entstehen lassen. Uns begegnen Menschen mit umgekehrter Motivationshierarchie, wie beispielsweise:
- jemand macht eine Mutprobe – Sicherheitsbedürfnis wird für Wunsch nach Status aufgegeben
- jemand hungert für eine schlanke Figur oder gibt sich riskanten Schönheitsoperationen hin – Selbstverwirklichung steht über dem Bedürfnis der Gesundheit
- oder jemand begibt sich für einen geliebten Menschen in Gefahr – das soziale Bedürfnis steht über dem Drang nach Sicherheit
Die Maslowsche Bedürfnispyramide im Generationswandel
Der Generation Z werden überwiegend diejenigen zugerechnet, die von 1997 bis 2012 zur Welt gekommen sind. Personen dieser Generation verbindet die Eigenschaft, von klein auf Digital Natives sein zu können. Technologien wie Smartphones, World Wide Web, MP3-Player und Tablet-PCs sind für sie von Geburt an Selbstverständlichkeit.
Die Bedürfnispyramide ist aus Sicht der Generation Z differenzierter zu betrachten. Ihr starker Medienbezug spiegelt sich auch in ihren Bedürfnissen wieder:
Ihr Sicherheitsbedürfnis bezieht sich nicht nur auf den physikalischen Raum. Gefordert wird Sicherheit bzw. Privatsphäre in den sozialen Medien bzw. Netzwerken.
Bei den sozialen Bedürfnissen spielen nicht die Ähnlichkeiten mit anderen Menschen und damit die Zugehörigkeit zu einer Gruppe eine entscheidende Rolle, sondern auch die Unterschiede. Dies steigert sich auf der Ebene der Individualbedürfnisse. Das Leistungsgefühl der Generation Z resultiert nicht aus Zugehörigkeit, sondern aus der Fähigkeit, die eigene Unabhängigkeit und den persönlichen Erfolg zu etablieren.
Kritik an der Bedürfnispyramide
Seitdem die Bedürfnispyramide von Maslow veröffentlicht wurde, melden sich auch kritische Stimmen zu Wort. Die Vorwürfe:
1. Die hinter der Pyramide stehende Theorie sei empirisch kaum nachzuprüfen. Zwar können bspw. Umfragen die Faktizität der Bedürfnisse nahelegen, die Bedürfnisbefriedigung eines Menschen lässt sich dennoch nicht messen.
2. Die hierarchische Lesart der Pyramide sei zu strikt. Dabei muss man bedenken, dass Maslow seine eigene Theorie als sich stetig wandelndes Modell sah. Bei der Veröffentlichung im Jahr 1943 beendete er seine Ausführungen mit aufgelisteten Ausnahmen. Lang befriedigte Bedürfnisse verlieren die Einschätzung als gestillte Wünsche, so Maslow. Als Beispiel nennt er Hunger.
3. Maslow geht davon aus, dass alle Menschen die gleichen Motive haben. Dadurch verliert sich die Aufmerksamkeit für wichtige Unterschiede bei der Motivation zwischen Menschen. Denn in der Realität reagieren Menschen sehr unterschiedlich auf gleiche Anreize und werden auch von sehr unterschiedlichen Motiven geleitet.
4. Wer sich mit der Maslowschen Bedürfnispyramide beschäftgt, der vermisst außerdem konkrete Ratschläge und Hinweise, wie die einzelnen Bedürfnisse erreicht werden können. Was muss ich tun, um in die nächste Ebene der Pyramide aufsteigen zu können?
Fazit
Maslow liefert mit seiner Bedürfnispyramide ein fließendes Konzept für menschliche Bedürfnisse. Denn aus der Erfüllung eines Bedürfnisses heraus erwächst ein neues.
In Management und Marketing kann die Bedürfnispyramide helfen, die Motivation von Kunden, Partnern und Mitarbeitern besser einzuschätzen.